Stadtkälte

Es ist Februar – die kälteste Zeit des Jahres in Japan. Hier in Nagoya bedeutet dies Temperaturen um den Gefrierpunkt. Das ist nun für uns Mitteleuropäer nicht die Welt, mit diesen Temperaturen sind wir schließlich selbst aufgewachsen – da die Häuser hier in Japan allerdings nicht so massiv gebaut werden können (Stichwort: Erdbebenregion), ist einem die Kälte irgendwie… näher.

Wie nahe sie uns letzte Woche gekommen ist, hat uns dann doch überrascht. Gleich zu Beginn der Morgenroutine wurde klar, heute ist etwas fundamental anders als sonst: wir haben kein fließendes Wasser mehr. „Oh Schreck“, denken wir und – geprägt von anderen Situationen, in welchen wir fundamentale Informationen verpasst hatten – fragen uns „haben wir etwa die Rechnung nicht gezahlt?“.

Während wir die Kinder und uns mit Hilfe unserer Notfall-Wasserflaschen durch den Morgenritus wurschteln, suchen wir nach der letzten Wasserabrechnung. Sie kommt uns bekannt vor. Endlich – wir finden die Telefonnummer. „Was steht da daneben?“, fragen wir uns. „Geben Sie acht, auf das auffrieren der Wasserleitungen“. „Quatsch!“ denke ich – bei solchen Temperaturen kann das doch nicht sein.

Endlich beim Wasserversorger durchgekommen werde ich mit meiner Frage, ob wir etwas nicht gezahlt hätten, auf später vertröstet – die Kundenkartei kann um 07:15h morgens noch nicht eingesehen werden. „Ach, sie sagen jetzt käme kein Wasser heraus?“, versichert sich die freundliche Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung. „Ja“, sage ich, leicht überrascht, dass meine ausschweifende Erklärung vor meiner Frage, ob wir vielleicht etwas nicht gezahlt hätten, erst jetzt kurz vor Ende des Telefonats verstanden wird – „Mein Japanisch kommt nicht an“, denke ich, während mir die Mitarbeiterin am anderen Ende einen Tipp gibt: „Nun ja, es gibt in Ihrer Gegend keine Wartungsarbeiten an der Wasserleitung und es ist ja auch gerade kalt… vielleicht sollten Sie einfach noch ein wenig abwarten und eventuell bei der Hausverwaltung nachfragen.“ Ungläubig bedanke ich mich und beende das Telefonat.

„Bei Minus 3 Grad kommt das Wasser schon nicht mehr?!“ denke ich während ich mit dem Handy in der Hand zurück in den Morgendlichen Alltagstrubel zurückschleudere, „das kann doch wohl nicht sein… oder?“.

Später an demselben Vormittag wird es klar: es war tatsächlich die Zuleitung zu unserem Haus zugefroren. Claudia löste das Problem unter Anleitung des Hausverwalters wie folgt: die Rohre rund um den Wasserzähler wurden mit dem Fön aufgeheizt. Ein Bild für Götter würde man vielleicht sagen.

Wir haben wieder etwas dazugelernt.

Freunde von uns klärten uns auf, dass sie in dieser Zeit das Wasser über nacht tropfen lassen würden. Andere heben sich das Badewasser des Vorabends für solche Situationen auf.

So ganz bin ich noch nicht darüber hinweg, dass in dem Land, in welchem die Getränkeautomaten ihre Kunden mittels Bilderkennung analysieren, selbstfahrende Autos getestet und weiterentwickelt werden und Roboter mehr und mehr berühmt werden, bei moderaten Minusgraden das Wasser nicht mehr läuft…