Seit einigen Wochen lernen die Kinder und ich zusammen japanische Kinderlieder. Eines davon lautet: “unter dem großen Kastanienbaum”. Uns fiel es sehr leicht, sich vorzustellen, wie es unter einem großen Kastanienbaum sein könnte, denn neben dem Haus (in dem wir gerade wohnen), steht ein solches Prachtstück. Dieser Baum hat mich in den vergangenen Wochen gelehrt, was “Fruchtgenuss” bedeutet. Als die stacheligen grünen Kugeln, die dann und wann mal herunterfielen, nicht mehr grün, sondern braun wurden, und die Kastanien frei am Boden lagen meinte die Japanerin, die hier auf dem Gelände arbeitet, daß wir uns ruhig die Kastanien nehmen können. Sie seien essbar. Also fingen wir an, diese schönen braunen Leckereien aufzusammeln. Da diese sofort faul wurden (weil es viel regnete) oder von Insekten “belagert” wurden, wenn man sie länger liegen ließ, wurde diese “Ernte” schon fast ein Sport für mich: jeden Morgen, Mittag und Abend, wenn ich gerade mal draußen war, wurde nebenbei geschaut, ob man wieder ein paar Kastanien aufsammeln könnte. Und am Abend wurde dann fleißig gekocht und geschält…. Das hatte zwar alles einen Zeitaufwand und kostete auch etwas Mühe, aber diesen Segen einfach so zu geniessen, die Früchte des Baumes einfach nur aufzusammeln und verarbeiten zu können, das war wirklich ein schönes Erlebnis. Wir haben auf diese Weise in diesem Herbst einen echten “Erntesegen” erlebt.
Es wäre schön, wenn alles im Leben so einfach wäre wie dieses Kastanienernten. Wenn man einfach nur noch die “Früchte” ernten darf, und einem das (übertragen gesehen) Säen, Zurückschneiden, und was alles dafür nötig ist, um ein gutes Ergebnis zu bekommen, erspart bleibt. Aber vielleicht kann man die Ernte noch mehr genießen, wenn man weiß, was für Arbeit dahinter steckt?
Beim Sprachelernen merke ich jedenfalls, daß da ziemlich viel Arbeit und Zeit hineinfließen muß, um gute Ergebnisse zu bekommen, die dann auch noch im Kopf bleiben um im Alltag angewendet werden zu können.
Beim Erziehen der Kinder ist es ähnlich. Sie lernen nicht über Nacht gute Manieren und Verhaltensweisen, und ihr Charakter braucht auch viel Zeit und wichtige Erlebnisse, um geformt zu werden.
Wie interessant eigentlich, daß Paulus bei der Gemeindearbeit tatsächlich den Mitarbeitern unterschiedliche Aufgaben im „Ackerbau“ zuordnet (alles natürlich geistlich übertragen gesehen). Einer sät/pflanzt, einer gießt, und dann gibt es denjenigen, der erntet.
Wir wünschen uns sehr, daß wir hier in Japan diejenigen sein dürfen, die “ernten”. Aber wie Paulus schreibt, sind die anderen Aufgaben, die dazugehören, um Gottes Reich zu bauen, genauso wichtig. Daher bin ich auch gleichzeitig einfach gespannt, wie Gott uns einsetzen wird, sehr gespannt sogar, und wir wollen erwarten, daß in Japan eine gute Erntezeit kommen wird und dafür bereit sein.