Halbzeit

Wir sind nun ein gutes halbes Jahr in Japan.

Ein halbes Jahr ist eigentlich gar nicht so lange.

Manchmal laufe ich immer noch auf die linke Seite des Autos, um auf der Fahrerseite einzusteigen (dabei ist die Fahrertür hier rechts…). Ein, zwei Mal passierte es mir letztens immer noch, daß ich im unachtsamen Moment auf die rechte Seite der Strasse abbiege, statt brav links zu fahren. Aber im Großen und Ganzen haben wir uns gut eingelebt in Japan. – Bzw ich merke jetzt, wir hatten uns gut eingelebt in dem schönen Örtchen Miyota, im Freizeitdorf der Mission, in den Bergen Naganos. Man wusste, wo man am besten einkauft, hatte sich schon „seine“ Tankstelle auserkoren, hat ein paar Kontakte im Ort und in der Gemeinde geschlossen. Nun sind wir gerade am Übersiedeln, schon wieder (3. Mal in 14 Monaten), und zwar in die Stadt Nagoya (2 Mio. Einwohner). Und dieses inzwischen bekannte Gefühl vom „nicht-zu-Hause-sein“, die alte Heimat zu vermissen,sich aber auch auf das neue zu Hause freuen und gleichzeitig den riesigen Berg an Dingen sehen, die noch getan und übersiedelt werden müssen, dieses Gefühl stellt sich zur Zeitz so richtig breit in mir ein.

Als wir uns von den Freunden in Miyota verabschiedeten, meinten einige: „Oh, in Nagoya ist es ja so furchtbar warm im Sommer“. Und von meinem Sprachunterricht her weiß ich, daß die Menschen in Nagoya generell schroffer reden als in Nagano. Offensichtlich wird es in Nagoya wohl anders sein als in Nagano. Wenn ich also jetzt denke, ich hätte mich schon gut in Japan eingelebt, dann kann es sein , daß ich mich gewaltig irre.

Aber wie oft kommt es überhaupt im Leben vor, daß man denkt, man weiß schon alles in einem bestimmten (Fach-) Gebiet, oder man kennt diese Person in- und auswendig, und dann merkt man, daß man sich gewaltig geirrt hat.

Die Fertigkeit, zugeben zu können, daß man eben nicht alles weiß und kann, die Offenheit für Neues zu behalten und sich korrigieren lassen zu können, ist meines Erachtens eine Tugend, ein Teil der Weisheit.

Menschen, die sich diese Fertigkeit angeeignet haben, kommen, so meine ich, letztendlich leichter durchs Leben. Auch wenn man zunächst wie ein „Dauerlernender“ und „Nichtswisser“ dasteht.

Wir als Familie wollen uns von Gott prägen lassen, von Jesus verändert werden und durch den Heiligen Geist ein weiches Herz bekommen und behalten.

Und genau aus diesem Grund gehen wir ja auch nach Nagpya. Weil wir Gott nachfolgen möchten und seinen nächsten Platz für uns in Nagoya sehen. Das Einsatzgebiet der Mission ist die Gegend in und um Nagpya herum, und wir möchten den Menschen dort dienen, und daher auch das Leben dort mit ihnen teilen und sie kennen lernen. Ich bin mir sicher, daß Gott uns am Besten helfen wird, die Menschen und den Ort immer besser zu verstehen und uns auch dort wieder einleben zu können.

Also lassen wir uns als Familie auf ein neues Abenteuer ein, Japan von einer anderen Seite her kennenzulernen, sich wieder neu zu investieren, Freunde zu suchen, Gottes Licht zu sein und auch der Stadt bestes zu suchen.

Und ich bin gespannt, wie wir nach weiteren 6 Monaten denken und eingelebt sein werden.

Sprachbarriere

Ja, ein Umzug bedeutet Stress. Wir befinden uns mitten in unserem Dritten (!) innerhalb der letzten vierzehn Monate. Wieder alles einpacken, wieder ein Domizil räumen, putzen, übergeben, wieder alles Zeug verpacken und auf den Weg schicken bis das nächste Domizil verfügbar ist. In unserem Fall wird es nächste Woche soweit sein, dass wir wieder in unsere eigenen vier Wände einziehen können, seit Dienstag haben wir unseren alten Wohnort verlassen.

Beim Ausräumen kommt es schon einmal zu kleineren oder größeren Unfällen. Ein Kind steigt in einem unbeaufsichtigen Moment fertig angezogen in kaltes Wasser – kurz vor Abfahrt versteht sich – oder eine hastig aufgestellte Leiter hält doch nicht so wie gewünscht, oder eine zuvor geöffnete Küchenschranktür ist beim Aufstehen so sehr im Weg, dass man sich den Kopf daran stößt. Letzteres ist Claudia am Abend vor unserem Auszug passiert. Die Kante lag so unglücklich, dass ein böser Schnitt am Kopf entstand. Als besorgter und angesichts der Wunde gestresster Ehemann stand für mich fest: „Wir müssen ins Krankenhaus.“ Also nichts wie los. Mit improvisiertem Druckverband, welchen Claudia sich fest auf den Kopf hielt, erreichten wir nach knapp einer halben Stunde das Krankenhaus. Bei der Anmeldung hielt ich es für eine geniale Idee, mein neu gelerntes Japanisch auszuprobieren – schließlich wollte ich Claudia in ihrem Zustand nicht für sich selbst sprechen lassen müssen…

Also ging ich auf den Mitarbeiter an dem Empfangstisch zu, um ihm zu sagen, dass Claudia sich verletzt hätte. Das Wort, das ich im Kopf hatte, begann mit Ke… hastig bildete ich einen teilimprovisierten Satz und fühlte mich noch recht gut dabei – doch die Reaktion sowohl des Krankenhausmitarbeiters als auch von Claudia war nicht ganz das, was ich erwartet hatte.

Der Krankenhausmitarbeiter wirkte sehr erschrocken und Claudia peinlich berührt, sofort sagte sie „Nein, nein, nein…“ (auf japanisch) und zu mir „Wieso denn DAS?! Was sagst Du denn da?“ Anstatt wie gewollt auf Claudias selbst zugefügte Verletzung hinzuweisen – „keGA wo shimashita“ – hatte ich ein anderes Wort verwendet – „keNKA wo shimasita“. Ich hatte ihm gesagt, wir hätten uns gestritten. Auf den Fehler hingewiesen wurde mir ob der Implikation auch etwas mulmig zu mute.

Der Mitarbeiter des Krankenhauses war sich wohl nicht sicher, was er jetzt angesichts eines solchen Geständnisses machen sollte… beide beschwichtigten wir ihn, dass ich ja gerade erst Japanisch lerne und mich nur im Wort vergriffen hatte. Wie flach und wie sehr das nach einer Ausrede klingen muss… aber gut..  es wurde akzeptiert und Claudia konnte in Behandlung genommen werden.

Die Wunde musste tatsächlich fachärztlich versorgt werden, Ein junger und sehr kompetent wirkender Arzt hat dafür gesorgt, dass der Schnitt nicht zu einer klaffenden Wunde wird und eine nette Krankenschwester hat dann sogar noch Acht gegeben, dass die notwendige Kompresse an Claudia irgendwie süß aussah (s.Bild oben). Wir sind dankbar, dass nicht mehr passiert ist!